Brief von Joseph D.
Caen, Sonntag, 24. August 1913
Mein alter Freund Samuel,
heute möchte ich dir von unserer Wallfahrt zu der kleinen Theresia erzählen. Es war ein fantastischer Tag!
Am Vorabend trafen wir uns in der Kirche St. Jacques Vor dem Allerheiligsten begannen wir die nächtliche Anbetung, wir beichteten; wir legten uns auf Matratzen in eine große Sakristei, jeder wartete, bis er zur Anbetung an der Reihe war. Jede Stunde kamen die Geistlichen und weckten uns: Wir sollten singen, beten, nachdenken. Wir meditierten über den Glauben, das Apostolat; mich beschäftigte vor allem die religiöse und priesterliche Berufung. Mehrere Männer haben mehrere Stunden gebetet, ich eine für dich.
Um halb sechs standen wir auf und begannen wieder die allgemeine Anbetung, dieses Mal am großen Altar. Um sechs Uhr war die erste Messe. Alle waren um den Altar versammelt. Wir hielten Meditation, dann beteten wir den Rosenkranz vor allen Leuten. Vielleicht hat das gewirkt; während der Messe ist eine Person, die uns betrachtete, von Gewissensbissen geplagt worden. Sie ging zur Beichte.
Es war halb sieben. Wir sind sofort zur weiteren Anbetung in den Karmel aufgebrochen. Um 8 Uhr war unsere Messe. Noch nie habe ich so etwas gesehen: Feldwebel Milcent und sein Bruder, der Korporal, beteten mit. Wir begannen mit dem « Herr, erbarme dich ». Man spürte eine regelrechte Begeisterung. Der Priester erklärte, was es mit den Militärtagen auf sich habe, wozu das gut sei. Das Credo beteten wir auch zusammen, wie in Lourdes. Auch die Gebete vor der Kommunion haben wir alle zusammen rezitiert; es tut gut, weißt du, so zu beten. Aber der Clou des Tages war: Das « Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, und so wird meine Seele gesund » wurde dreimal gesprochen. Das hat mich sehr angerührt. Beim zweiten Mal standen mir Tränen in den Augen und beim dritten Mal sagte ich mir : Komm, jetzt kannst du kommunizieren gehen.
Es gab jemanden im Regiment, der wegen seiner Verlobten, die krank war, gekommen war. Er hat konvertiert, hat gebeichtet und kommuniziert. Ja, man konnte es nicht fassen, alle haben kommuniziert. Weißt du, man kann gut im Karmel beten. Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, was ich alles gesagt habe, ich habe soviel gesagt . Einer der Geistlichen hat uns von der Kommunion erzählt, vom Apostolat, von der kleinen Schwester Therese. Danach haben wir zusammen das Vaterunser gesungen und uns auf den Weg zum Friedhof gemacht.
Es ist etwas weit und es steigt an. Auf dem Weg zum Friedhof haben wir zusammen den Rosenkranz gebetet und das Gloria Patri gesungen. Auf dem Friedhof angekommen, brachten wir unsere Uniformen erst mal wieder in Ordnung, hielten die Fahne hoch und stimmten das Magnificat an. Die anderen folgten: Grenadiere, Husaren, Kanoniere bis hin zu der Fußtruppe. Weißt du, ich denke, die kleine Therese muss sehr zufrieden gewesen sein. Als wir ankamen, waren schon viele Leute da, die an ihrem Grab beteten. Wir baten sie höflich zu gehen, denn wir waren die Armee, der Friedhof gehörte uns.
Wir knieten uns hin. Ich spürte die Anwesenheit der kleinen Schwester. Oh! Wie waren wir glücklich, dort zu sein. Wir haben einige Zeit gebetet. Dann hat uns ein Priester das Leben der kleinen Therese erzählt, ein Leben, das auch unseres werden sollte. Es hat mir gut getan, nie habe ich über eine Ähnlichkeit zwischen einer Schwester und einem Soldaten nachgedacht. Das schien mir unvergleichbar. Aber eigentlich ist es das: Verzicht, Opfer, sich in den Hintergrund stellen, Demut, Gehorsam. Ich merkte mir das. Wir beteten den Rosenkranz, die Fahne dicht am Holzkreuz, das Blumengesteck auf dem Grab. Man hat uns fotografiert, ich schicke dir eine Ansichtskarte. Wir blieben noch zehn Minuten, um für unsere persönlichen Anliegen zu beten. Ich hatte eine Menge, worum ich bitten wollte, ich beeilte mich.
Wir machten kehrt, beteten erneut den Rosenkranz, wir verließen den Friedhof und sangen das Te Deum.
Oh! Wir bekamen Hunger und gingen zum Saal St. Jacques, wo wir bis zum Rest des Tages blieben.
Dann die Buissonnets; wir besuchten den kleinen Garten, das Esszimmer, das Zimmer, in dem sich die Jungfrau ihr zuwandte und sie anlächelte (ich schicke dir davon ein Foto), dann ihre Spielsachen, der kleine Altar, mit dem sie die Messe hielt, ihren Katechismus und den Rest. Ich kann dir nicht beschreiben, wie ich mich fühlte. Danach gingen wir durch den Sternengarten zur Kathedrale.
Wir gingen in den Karmel und wurden vor der Kapelle fotografiert. Dann mischten sich zwei Flieger des Treffens von Deauville ein, die ihr Erlebnis mit der kleinen Schwester ansprachen.
Danach gingen wir in die Sakristei. Die Mutter Oberin (wie der Kolonist jetzt sagen würde) sprach zu den Geistlichen. Man hörte sie, aber man sah sie nicht. Es war Pauline, die Schwester von Therese. Ich hätte sie so gern gesehen. Die Geistlichen haben uns Erinnerungsstücke gezeigt: das Kreuz, das sie in den Händen hielt, als sie starb (wir haben es geküsst), ein kleines Medaillon, das es berührt hat, schicke ich dir.
Schließlich sangen wir: « Ich bin Christ und Soldat. » Das Magnificat Milcent las im Namen von uns allen von die Krönung der Hl. Jungfrau, die Fahne an seiner Seite. Nach dem Tantum ergo, bevor der Priester den Segen gab, haben wir alle zusammen unseren Weiheakt rezitiert : « Ich habe Durst, ihr jungen Menschen, nach eurer Reinheit, ich habe Durst nach eurem jungen Herzen; ich habe Durst nach eurer Demut. » Mein alter Freund, das ist es, was zählt, mir kamen die Tränen in die Augen. Das imponiert am meisten. Wir sangen dreimal das Parce Domine für die in der Kaserne. Schließlich sind wir vor dem Tor marschiert.
Oh! Ich vergaß zu erwähnen, dass wir auch das Lied der Seligsprechung gesungen haben, dann den Abschiedsgruß. Von der Predigt sind mir zwei Dinge besonders im Gedächtnis geblieben: Ihr fahrt reicher weg als ihr gekommen seid; natürlich mit mehr Verantwortung, mehr schuften; der liebe Gott sollte in die Kaserne kommen und der Freund von euren Kamaraden sein. du kapierst ? Der liebe Gott wird uns helfen, und die kleine Schwester auch. Und dann werden die Karmelitinnen für die gläubigen Soldaten beten, ich finde das beeindruckend.
Bevor wir wieder in den Zug stiegen, haben wir uns bei dem Ortspfarrer verabschiedet, der sehr nett zu uns war. Du kannst dir nicht vorstellen, wie beeindruckend dieser Tag war!
Alter Freund, ich bin müde, aber so hast du wenigstens frische Neuigkeiten. Das nächste Mal kommst du mit uns. Ich wünsche dir einen schönen Abend, bete für mich, ich bete für dich.
Joseph D Soldat im 36.R
P.S. Du wirst meine « Eindrücke » nachzählen, aber das ist mir egal. Ich vergaß noch zu erwähnen, dass ein Kamerad um 5 Uhr in der Kaserne sein sollte. Er nahm einen Zug, der ihn pünktlich zurückbrachte. Oh weh, wenn er zu spät gekommen wäre! Nun, der Zug ist 18 Minuten zu spät gekommen, das war Pech ! Aber stell dir vor, er ist 2 Minuten zu früh in dem Zielbahnhof angekommen. Das ist beeindruckend ! (Der letzte Eindruck !)