Andreas Wollbold, Geschichte einer Seele

"Therese von Lisieux - Geschichte einer Seele"
durch Professor Andreas Wollbold - einer der besten Kenner der heiligen Therese in Deutschland
Dieses Buch ist ein Standardwerk für die Theresien-Spiritualität - durch viele Anmerkungen für heutige Leser neu erschlossen - durch zahlreiche historische Abbildungen illustriert.
Zu beziehen durch:
Herder-Verlag, Freiburg, aber auch in allen Buchhandlungen
Leinen mit Leseband, 496 Seiten
EUR (D) 58,00/ (A) 59,70/ (CH) 75,00
ISBN 978-3-451-31337-0
Rezension
Im Jahr 2016 erfolgte durch Prof. Dr. Andreas Wollbold, dem Inhaber des Lehrstuhls für Pastoraltheologie an der Ludwig-Maximilian-Universität München, eine kommentierte deutschsprachige Neuausgabe der „Geschichte einer Seele“ der heiligen Therese von Lisieux (1873–1897). Diese Autobiographie der 1925 heiliggesprochenen und 1997 zur Kirchenlehrerin erhobenen Karmelitin dürfte sicherlich zu den meist gelesenen Werken der geistlichen Literatur zählen.
Die Autobiographie Thereses besteht aus den drei Manuskripten A, B und C, die ab Winter 1894/95 als Auftragswerke im Karmel von Lisieux entstanden waren. Während das von der Priorin Agnès de Jésus, Thereses leiblicher Schwester Pauline, in Auftrag gegebene Manuskript A die Kindheit Thereses bis zu ihrer Weihe an die barmherzige Liebe Gottes am 9. Juni 1895 umfasst, handelt es sich bei Manuskript B um drei im September 1896 verfasste Briefe an Schwester Marie du Sacré-Coeur, der ältesten leiblichen Schwester Thereses. Das von der Priorin Marie de Gonzague beauftragte Manuskript C beinhaltet die im Juni 1897 verfasste Fortsetzung des autobiographischen Manuskripts A und stellt Thereses geistliches Testament dar, das auch ihre bekannte Lehre vom „Kleinen Weg“ beinhaltet.
Im Vorwort der Neuedition wird der Leser eingehend mit der Problematik der originalen französischen Textgrundlage der drei Manuskripte vertraut gemacht, die erstmals 1898 als „Geschichte einer Seele“ im Sinne einer geistlichen Biographie zur Veröffentlichung zusammengestellt und aufbereitet wurden. Zudem legt der Verfasser dar, dass er bei seiner Neuedition der 2005 herausgegebenen „Nouvelle Edition du Centenaire“ folgt, die wiederum auf der 1956 durch den Karmeliten François de Sainte-Marie erstellten Faksimile- und Druckausgabe aufbaut. Der Verfasser macht dem Leser auch plausibel, dass es ihm bei seiner neu übersetzten deutschen Ausgabe um eine flüssige Lesbarkeit geht, die aber auch die literarischen Eigenheiten Thereses zu berücksichtigen versucht.
Neben der gewissenhaften und gut lesbaren Übersetzung zeichnet sich die Neuausgabe der autobiographischen Schriften Thereses auf mehrfache Weise aus.
Andreas Wollbolds Edition besticht vor allem durch die äußerst umfangreiche und hilfreiche Kommentierung in Form von Anmerkungen und Einführungen zu den drei Manuskripten.
Die Kommentare führen den Leser nicht nur an die umfangreiche Forschungsliteratur heran, sondern zeugen auch von der jahrzehntelangen wissenschaftlichen Beschäftigung des Verfassers, der sicherlich als der derzeit profilierteste deutschsprachige Experte zu Therese von Lisieux gelten kann.
Die Kommentare bieten neben Angaben zu Quellen- und Forschungsfragen auch Informationen zum geistlich-liturgischen
Umfeld Thereses sowie Querverbindungen zu spiritualitätsgeschichtlichen Traditionen. Dabei macht der Verfasser deutlich, dass es ihm nur um den ersten Schritt der Klärung
der Sachverhalte geht, ohne aber den zweiten Schritt der eigentlichen Deutung theresianischer Aussagen zu vollziehen, der in der bisherigen Literatur auch zu Vereinnahmungen oder verfälschenden Überinterpretationen geführt hat. Jedenfalls wird der bescheidene Anspruch des Verfassers, mit seiner Kommentierung nur die Lektüre des Textes erleichtern zu wollen, weit überboten, da die Erklärungen den Leser zu einer umfassenden und detaillierten Begegnung mit Therese und ihrer Spiritualität führen.
Ein Vergleich mit der 1958 im Einsiedelner Johannes-Verlag herausgegebenen und bisher gängigsten deutschen Ausgabe der „Geschichte einer Seele“ zeigt, wie verdienstvoll die Neuedition Andreas Wollbolds für das deutschsprachige Lesepublikum ist. Während sich in der Einsiedelner Ausgabe die wenigen Anmerkungen nur auf das Allernotwendigste beschränkten und auch die Manuskriptseiten nicht vermerkt wurden, so dass eine Zitation im Grunde unmöglich war, sind in der Neuedition am Seitenrand die originalen Nummerierungen angegeben, mit denen nun ein wissenschaftliches Arbeiten möglich ist, ohne eigens die kritische französische Textausgabe heranziehen zu müssen. Sehr hilfreich sind die fettgedruckten Einfügungen von Kurzüberschriften, die dem Leser Orientierung bieten, um sich in den manchmal auch überschneidenden Inhalten der Manuskripte zurechtzufinden.
Wie das ausführliche Personen- und Sachlexikon im Anhang zeigt, stellt die Neuedition auch ein praktisches Handbuch zu Leben, Spiritualität und Lehre der heiligen Therese dar. Schließlich gewinnt die Neuausgabe durch die zahlreichen historischen Photographien, die parallel zu den Textinhalten eingefügt sind. Selbst gute Theresien-Kenner werden überrascht sein, da sie sicherlich auf nicht wenige Bilder stoßen werden, die ihnen bisher unbekannt waren.
In Fachkreisen und auch bei Theresienverehrern stellte eine wissenschaftliche, umfassend kommentierte und zitierfähige deutschsprachige Neuausgabe der „Geschichte einer Seele“ ein lange erwartetes Desiderat dar. Diese Lücke ist nun mit der Edition von Andreas Wollbold in gelungener Weise geschlossen, der man nur große Verbreitung wünschen kann. Fachtheologen, Historikern, Philologen, wissenschaftlich Interessierten und Theresienfreunden wird die Neuausgabe wertvolle Dienste leisten und auch geistliche Nahrung geben, um die Karmelitin aus Lisieux und ihre unvergleichliche spirituelle Lehre noch tiefer kennenzulernen.
Prof. Dr. Wolfgang Vogl, Stiftungsjuniorprofessur Theologie des geistlichen Lebens, Universität Augsburg